Taiji für Parkinson-Patienten
Das „Taijiquan“ oder Schattenboxen genannt, entwickelte sich im chinesischen Kaiserreich zunächst als „(innere) Kampfkunst“ für den bewaffneten und unbewaffneten Nahkampf. Insbesondere in der westlichen Welt wird es jedoch in jüngerer Zeit häufig als System der Bewegungslehre oder auch eine Form der Gymnastik betrachtet, die sowohl der Gesundheit (Verbesserung des Chi-Flusses in der Denkweise der Traditionellen Chinesischen Medizin), der Persönlichkeitsentwicklung und der Meditation dient. In diesem Sinne praktizieren Millionen Menschen weltweit „Tai-Chi“. In China sind derartige Bewegungsfolgen sogar als Volkssport zur gesundheitlichen Ertüchtigung in den Alltag vieler fest integriert. Der eigentliche Kampfkunstaspekt tritt immer häufiger zurück und verschwindet bisweilen ganz.
Warum Taiji bei Parkinson hilft?
Mehrfach konnten Wissenschaftler zeigen, dass an Parkinson Erkrankte von Tai-Chi profitieren. So wiesen jüngst erst wieder Forscher des Oregon State Research Institute in den USA nach, dass sich bei den Betroffenen die Körperhaltung, die gesamte Aufrichtung des Muskel- und Skelettapparates und das Gleichgewichtsvermögen durch regelmäßiges Üben spürbar verbessern lassen. Nach Abschluss eines verschiedene Sportarten und Bewegungsformen vergleichenden Trainings über mehrere Monate zeigte sich, dass eine Mischung aus Tai-Chi, Krafttraining und Dehn- und Stretch-Übungen die Körperbalance sowie eine stabile Körperhaltung bei Parkinsonpatienten sehr gut unterstützt und fördert. Gemessen am Ausgangsniveau konnten die Teilnehmer ihre „Fitness“ um zwei Drittel bis vereinzelt sogar um drei Viertel ihrer Eingangswerte steigern. Die nach Studienende fortlaufende Begleitung der Teilnehmer ergab: Jene, die weiter ihren Trainingsplan einhielten, blieben länger im Beruf und bewältigten ihren Alltag besser – ohne auf Hilfe angewiesen zu sein.
In der Zusammenschau zeigen verschiedene Studien, dass Tai-Chi für Parkinsonkranke mehrere Vorteile hat: Es gehört zu den Therapieformen mit dem größten Nutzen, ist günstig, man benötigt keine zusätzliche Ausrüstung und kann die Übungen überall und zu jeder Uhrzeit absolvieren. Ähnlich wie beim Yoga sind beim Tai-Chi Körper und Geist gemeinsam gefordert, werden aber nicht über die Maßen strapaziert. Nicht zuletzt deshalb ließe sich die Sportart prima in ein Reha-Programm einbinden, fordern Experten immer wieder.
Die Methode
Die Bewegungen im Tai Chi sind bewusst und aufmerksam auszuführen. Allerdings soll sich die Konzentration nicht ausschließlich auf die Vorgänge im Körperinneren richten, sondern neben einer Wahrnehmung der eigenen Bewegungen ausdrücklich auch jenen Reizen gelten, die die Umwelt bereithält. Hauptprinzip des Tai-Chi ist die „Weichheit“ – das heißt: Der Übende soll sich natürlich, entspannt, locker und fließend bewegen. Die Bewegungsabfolgen sind explizit mit einem Minimum an Kraft auszuführen und anders als bei vielen Kampfkünsten zumeist langsam angelegt, damit die technische Umsetzung möglichst korrekt erfolgt. Zudem soll der Körper „entspannt“ sein – allerdings nicht schlaff, sondern in fokussierter Anspannung jener Muskeln, die für eine bestimmte Bewegung oder Haltung wirklich benötigt werden. Ziel ist es, die Jin- oder Explosivkraft auszubilden: schnelle, gerichtete Bewegungen, die in manchen Situationen plötzlich erforderlich sind und keinerlei hemmenden Spannungen unterliegen dürfen. Der Atem geht stets tief und fließt locker und natürlich in den Bauch. Dadurch ist die Atemfrequenz deutlich niedriger als bei der normalerweise verwendeten Brustatmung. Anfänger müssen meist erst lernen, was es wirklich heißt den „Atem frei fließen zu lassen“ oder an Bewegungen anzupassen.
Kosten
Wiederholt haben klinische Studien auch in der westlichen Welt gezeigt, dass das regelmäßige Praktizieren von Tai-Chi-Bewegungsabfolgen sich positiv auf Physis und Psyche des menschlichen Organismus auswirkt – etwa auf das Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem, das Schmerzempfinden, das Gleichgewicht, und allgemein auf Körperkontrolle, Beweglichkeit, Kraft sowie psychosomatische Beschwerden. Entspre-chend unterstützen und fördern die Kostenträger im Gesundheitswesen die Teilnahme an Tai-Chi-(Chuan)- oder Taiji-Kursen vergleichbar dem Qigong (siehe dort).
Weiterführende Informationen
Der Tai-Chi-Lehrer und Therapeut Mirko Lorenz hat mit „Keep Moving“ eine aus dem Tai-Chi abgeleitete und allseits anerkannte Taiji-Therapie für Bewegungsstörungen und Parkinson entwickelt. Regelmäßig finden Kurse in Berlin und Braunschweig statt, darüber hinaus auch vereinzelt Kompaktseminare andernorts, etwa in Klöstern oder weiteren großen Städten..