Studie: „Implementierung und Evaluation einer Notfalldose"

Projekt-Eckdaten

Förderjahr: 2019 

Träger: Medizinische Hochschule Hannover, Dr. Klietz, Prof. Dr. Wegner

Inhalt: Mit der Studie wollte man überprüfen, ob der Einsatz einer Notfalldose Fehlmedikation, Zeitverzögerungen und Übertherapie vermeiden kann.
Die Notfalldose bewies in der Analyse ein praktikables Handling und wurde, wenn sie in der Notfallsituation zum Einsatz kam, durchweg als hilfreich wahrgenommen. Die Auswertungen zeigten jedoch auch, dass den Patient*innen bezüglich der Umsetzung Hilfestellungen angeboten werden müssen.

Fördermittel: 7.500 €

Informationsblatt (Abbildung A-B) mit relevanten Daten (Diagnosen, Vormedikation, Allergien, Notfallkontakte, Verweise auf Patientenverfügungen/ Vorsorgevollmachten), Dose im Kühlschrank (D) aufbewahren, Aufkleber (C) für die Haus- und Kühlschranktür für den Rettungsdienst

Hintergrund und Ergebnisse

Hintergrund der Studie war die Hypothese, dass die aktuellen Systeme zum Management von Gesundheitsdaten von geriatrischen Parkinson-Patient*innen mit mehreren Vorerkrankungen und komplizierter Vormedikation (älter als 70 Jahre, mehr als 2 chronische Erkrankungen und mehr als 4 Dauermedikamente) unzureichend sind und in der Akutversorgung zu erheblichen Verzögerungen und Behandlungsfehlern führen können. Da in Deutschland aktuell kein generelles digitales Lösungskonzept für dieses Problem existiert und die digitale Patientenakte noch nicht initiiert ist, könnte die Notfalldose ein praktikabler analoger Lösungsansatz sein.

Die Notfalldose ist eine Box mit einem Informationsblatt (Abbildung A-B), das Patient*innen mit den relevanten Daten (Diagnosen, Vormedikation, Allergien, Notfallkontakte, Verweise auf Patientenverfügungen/ Vorsorgevollmachten) befüllen und die Dose anschließend im Kühlschrank (D) aufbewahren sollen. Aufkleber (C) für die Haus- und Kühlschranktür sollen die Rettungsdienste auf das Vorhandensein der Dose hinweisen, sodass diese in der Notfallsituation zu Hause eingepackt und in die Notaufnahme gebracht werden kann.

Das Forschungsprojekt bestand aus zwei Teilprojekten. In einem ersten Projekt wurden geriatrische Patienten, die von zu Hause in der Notaufnahme vorstellig wurden, bezüglich Überlieferung der behandlungsrelevanten Informationen anonym überprüft. Verzögerungen und Komplikationen von fehlenden Informationen in der Notfallversorgung (Allergien, Medikation, Vorerkrankungen) wurden dokumentiert. In einem zweiten Teilprojekt wurden auf den neurologischen Stationen Parkinson- und geriatrische Patient*innen mit einer Notfalldose ausgestatten und die Akzeptanz und Effektivität dieser Maßnahme in einer Folgeuntersuchung abgefragt.

Kaum ein Patient dieser vulnerablen Gruppe konnte die eigene Medikation selbstständig nennen und oft fehlten relevante Informationen bezüglich der Medikation bei Vorstellung in der Notaufnahme. Bei knapp einem Viertel der Akutvorstellungen im Rahmen unserer Erhebung entstand dadurch mindestens eine kurze zeitliche Verzögerung, da relevante Informationen telefonisch eingeholt werden mussten. In 11,8 % der notfälligen Vorstellungen kam es zu einer signifikanten Verzögerung der Versorgung. Sogar potentiell gefährliche Zwischenfälle, wie das Verabreichen einer Therapie trotz Kontraindikationen, konnten wir aufzeichnen. Damit konnte der große Bedarf und die Relevanz an einfachen und effektiven Systemen zum Management von Gesundheitsdaten gezeigt werden.

Die Notfalldose bewies in unserer Analyse ein praktikables Handling und wurde, wenn sie in der Notfallsituation zum Einsatz kam, durchweg als hilfreich wahrgenommen. 87,9 % der Patient*innen wollten die Dose nach der Studie weiter nutzen. 31,5 % der teilnehmenden Patient*innen gaben an, dass sie sich durch die Notfalldose sicherer fühlten. Unsere Auswertungen zeigten jedoch auch, dass den Patient*innen bezüglich der Umsetzung Hilfestellungen angeboten werden müssen. Das Aktualisieren des Informationsblattes stellte in unserer Erhebung ein relevantes Problem dar, woraus wir schlussfolgern, dass Hilfe durch die Hausärzt*innen beim Instandhalten des Notfalldatensatzes erforderlich ist. Wir sehen in der Notfalldose auch eine Chance zu einer verbesserten Patientenautonomie, da Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten mit diesem Tool besser zum (Notfall)-Einsatz kommen könnten. Unsere Erhebung konnte reproduzieren, dass diese Dokumente in der gertiatrischen Patientengruppe häufig vorhanden sind (65 – 70 %), den Weg ins Krankenhaus aber vergleichsweise selten finden (20 – 30 %). In der Notfalldose kann das Vorhandensein der Dokumente vermerkt, aber auch eine Kopie eines solchen Dokumentes beigefügt werden. Damit könnten insbesondere akute Entscheidungen in der Notaufnahme vereinfacht werden, da der Patientenwille klarer und schneller ermittelt werden kann.

Zusammenfassend liefert diese Studie wichtige Daten, die im derzeitigen Kontext in Deutschland hochaktuell sind und die zu einer verbesserten Patienten- und Medikamentensicherheit von geriatrischen Parkinson- und neurologischen Patient*innen in der Akutversorgung beitragen können. Die Notfalldose eignet sich als analoges Tool zur Überbrückung der Zeit bis zur Implementierung eines digitalen Datenmanagementsystems in dieser Kohorte.

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